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Babywatching: Ultraschall = Ultracool?

Erst Hypnobirthing und jetzt Babywatching - wieder ein Trend aus den USA

 

Das Geschäft mit dem “Babywatching” boomt. Während wir in Deutschland "Baby-TV" bislang fast ausschließlich auf dem Monitor der Frauenarztpraxis kennen, schwappt aus den USA der Trend nun langsam zu uns: Das Babywatching im Studio oder auch im heimischen Wohnzimmer. Fötusparty nennt sich dann dieses Schauspiel — und erfreut sich wachsender Beliebtheit.

 

Das eigene ungeborene Baby im Ultraschall zu sehen war auch für mich berührend und faszinierend zugleich. Es ist allzu verständlich, dass wir unseren Schatz im Bauch am liebsten gleich der ganzen Welt oder zumindest allen einem nahe stehenden Menschen zeigen möchte. Doch woher kommt dieses Bedürfnis wirklich und ist es sinnvoll, den Umgang mit medizinischen Geräten als neues Hobby zu pflegen? Wieviel Ultraschall ist überhaupt notwendig? Birgt das Babywatching Risiken? Müssen Gynäkologen ihre Praxen ausweiten – vielleicht gleich inklusive Gipsabdruck-, Waxing-, Hyaluron-, Ultraschall-Aufnahmezimmern?

 

Die Mutterschaftsrichtlinien* in Deutschland sehen drei Ultraschalluntersuchungen vor. Die erste Untersuchung wird zum Ende des 1. Trimesters empfohlen, eine zweite um die 20. Schwangerschaftswoche herum und die letzte Untersuchung einige Wochen vor der Geburt. Denn es gilt: Kein Ultraschall ohne medizinische Indikation. Weitere Untersuchungen über die medizinisch notwendigen Anwendungen der ungeborenen Kinder sind ab 2021 gesetzlich untersagt und gelten als Ordnungswidrigkeit.

 

Wenn Du schwanger bist oder schon schwanger warst, kennst Du sicherlich auch die Preisliste Deines Frauenarztes für alle Untersuchungen, die Deine Krankenkasse nicht erstattet. Dazu gehören neben diversen Bluttests üblicherweise auch Ultraschalluntersuchungen außer der Reihe. Für diese nicht regulären Ultraschall-Untersuchungen fällt in der Regel entweder eine Pauschale für mehrere Ultraschallbilder an oder ein Preis pro Ausdruck. Oft bieten Frauenärzte und/ oder Pränataldiagnostik-Zentren auch längere 4D-Termine an, bei denen ein kleines Video aus dem Bauch aufgezeichnet wird.

 

Deutlich weiter als bei uns ist man in den USA. Dort wird Babywatching vielerorts bereits im Rahmen von sogenannten Fötuspartys zelebriert. Diese Partys werden von Unternehmen veranstaltet, die sich auf das Babywatching vor der Geburt spezialisiert haben. Und wer das Brauchtum der Babyshower (Blessingway, Babybelly, Baby-Party) kennt, der weiß, dass dabei groß aufgefahren wird.

 

Die Ultraschalluntersuchung, das sogenannte Baby-TV, findet nicht auf der Liege beim Frauenarzt statt, sondern in einem Studio oder Deinem Zuhause. Du vereinbarst einen Babywatching-Termin, den Du gemeinsam mit Deinem Partner, der besten Freundin oder gleich mit der kompletten Verwandtschaft wahrnehmen kannst. Jeder, den Du gerne dabeihaben magst, ist mit dabei, wenn ihr einen Blick in Deinen Bauch werft. Oma Edelgard, die feststellt, dass ihre Enkelin nach ihr kommt, Deine beste Freundin Mildred, die sich auch sofort ein Baby wünscht und Du, die sich einfach nur freut, ihr Baby wiederzusehen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein, oder? Tatsächlich gibt es auch bei uns in Deutschland bereits Babywatching-Anbieter.

 

Das eigene Baby schon vor der Geburt anschauen und beobachten zu können, ist wundervoll. Es nimmt viele Sorgen und schafft Nähe und so erstaunt es nicht, dass viele Schwangere ihr Ungeborenes am liebsten täglich sehen wollen. Viele Eltern nehmen diese Leistungen gerne in Anspruch, denn neben dem Unterhaltungswert, den das Babywatching zweifelsfrei bietet, nehmen die zusätzlichen Untersuchungen vielen Schwangeren eben auch die Unsicherheit. Dem Baby geht es gut, es zappelt und vielleicht nuckelt es gerade am Daumen. Mama und Papa sind glücklich. Für den Frauenarzt indes sind die Ultraschalluntersuchungen eine zusätzliche Einnahmequelle. Ist doch also eine tolle Win-Win-Geschichte, oder?

 

Darf ein medizinischer Laie denn überhaupt einen Ultraschall zum Spaß anbieten? Ist das Angebot vielleicht sogar risikobehaftet, weil sich Schwangere in falscher Sicherheit wiegen, wenn der Babywatchinganbieter keine Auffälligkeiten feststellt? Und auch, wenn wir an der Stelle voraussetzen, dass Ultraschalluntersuchungen ungefährlich sind (was durchaus umstritten ist), ist es das deutlich länger dauernde Babywatching auch? Einige Frauen berichten, dass sie beim Ultraschall das Gefühl haben, es würde ihr Bauch sehr heiß werden. Beim Ersttrimester-Screening kommt es nach der Nackenfaltemessung – wenn auch selten – mitunter zu leichten Wehen. Dies war auch bei mir der Fall, da beim Schallen sehr viel Druck auf den Bauch ausgeübt werden musste, um mein Baby „festzuhalten“. Das fühlte sich bereits bei der Untersuchung ungut an, weshalb ich diese Untersuchung kein zweites Mal in dieser Form machen würde.

 

Fakt ist: Die Untersuchungen im Rahmen des Babywatchings außerhalb der Frauenarztpraxis dienen nicht der Diagnostik. Sie sollen gar nicht medizinischer Natur sein, sondern Spaß, Unterhaltung und Freude bereiten. Doch geht dies nicht auch anders? Wie haben es die Frauen denn früher gemacht? Eine Bindung zu deinem Kind aufzubauen mittels Technik ist sicherlich spannend, jedoch nicht nachhaltig. Die Gefühle, das Spüren des Körpers und das mentale Verbundensein sind wichtiger denn je. Denn wie sollst Du entbinden, wenn zuvor keine Bindung entstehen konnte? Und woher kommt überhaupt dieses Überbedürfnis nach Sicherheit? Wie gehst Du mit Deinem Baby um, wenn es auf der Welt ist? Kannst Du ohne Ultraschall damit umgehen, wenn Dein Baby Magen-Darm-Beschwerden hat oder möchtest Du es am liebsten Tag und Nacht durchs MRT schieben?

 

Haben wir solche Angst davor, krank zu werden, dass wir vergessen, wie sich der Genuss vom gesund und glücklich leben anfühlt?

 

Wie Du sicherlich beim Lesen bemerkst, sehe ich die Entwicklung durchaus kritisch, wenngleich ich auch jede Mama verstehen kann, die sich solch ein Event für sich und ihren Partner und vielleicht auch für Oma Edelgard wünscht.

 

Wo wir uns jedoch sicherlich einig sind:  Sowohl Du als auch ich wünschen dir alles Gute für Deine Schwangerschaft und die Geburt. Und wenn Du Dir eine angenehme Geburt wünschst und neugierig bist, auf welche Weisen Du Dich darüber hinaus mit Deinem Baby verbinden kannst, lade ich Dich ein, weiter auf meiner Seite zu stöbern:

Deine Reise von der Frau zur Mama

 

 

*Hier gelangst du zu den Mutterschaftsrichtlinien: https://www.g-ba.de/richtlinien/19/

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